Montag, 14. September 2009

"Freiheit statt Angst" - Polizeigewalt

Am 12.09.2009 fand in Berlin die Großdemonstration, gegen Überwachung und für Datenschutz, "Freiheit statt Angst" in Berlin statt. Leider kam es dabei zu unschönen Szenen. seit gestern ist die Unruhe im netz groß, es wurde ein erschreckendes Video in Hd aufgenommen.

zur Situation die sich wohl so abgespielt hat:
Das Video zeigt allem Anschein nach eine Szene bei der Abschlusskundgebung auf dem Potsdamer Platz. Zu sehen ist darauf anfänglich wenig Interessantes. Ein Mann im blauen T-Shirt und mit Fahrrad sticht jedoch aus der Masse hervor. Dieser spricht mit einem Polizeibeamten der Einsatzhundertschaft. Worum es ihm ging? Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand wollte er eine Strafanzeige gegen einen anderen Polizeibeamten erstatten. Dieser hatte einen Freund des Mannes auf "unerfreuliche Weise" festgesetzt. Wie genau diese Festsetzung ablief, ist nur von einer Seite bekannt. Die Reaktion der Polizeibeamten auf eine Strafanzeige wird jedoch schnell deutlich. Nach einigen Augenblicken sieht man den Mann mit dem Fahrrad, wie er sich von den Polizisten entfernt. Plötzlich dringt von links ein Polizeibeamter ins Bild und versucht ihn festzuhalten. Ab diesem Augenblick geht alles ganz schnell. Der Mann wird in eine Gruppe von Polizeibeamten gezogen. Gerade als er sich inmitten dieser befindet, schlägt ein weiterer Polizeibeamter mit der Faust in sein Gesicht. Dank des hochauflösenden Videos ist diese Szenerie äußerst detailliert.

Bemerkenswert ist, dass scheinbar einige weitere Polizeibeamte in regelrechte Raserei verfielen und gegen dabeistehende Demonstranten und völlig unbeteiligte Passanten ebenfalls Gewalt anwendeten. Ob dies nun ein "Versehen" war, weil man ja für den einen oder anderen Faustschlag ausholen musste, und dabei unbeteiligte Dritte mit dem Ellenbogen erwischte, ist egal. Hier hat man eindeutig mehr als nur überreagiert. Ein Kommentator bei Netzpolitik beschreibt die Einsatzhundertschaft wie folgt: "Die 22.Einsatzhundertschaft besitzt sowas wie Immunität. Schwer, gegen die Anzeige zu erstatten. Ist deren normales Vorgehen. Reicht auch schon die nach der Dienstnummer zu fragen, um ins Krankenhaus zu gehen." Ob dem tatsächlich so ist, lässt sich schwerlich gegenprüfen. Das Video hinterlässt zumindest einen bleibenden Eindruck und wirft einige Fragen auf

Zitat aus der Presseerklärung der Polizei:

"Im Zusammenhang mit der Überprüfung des Lautsprecherwagens kam es seitens mehrerer Teilnehmer zu massiven Störungen der polizeilichen Maßnahmen. Trotz wiederholter Aufforderungen, den Ort zu verlassen, störte insbesondere ein 37-Jähriger weiter. Die Beamten erteilten ihm schließlich einen Platzverweis. Nachdem auch dieser wiederholt ausgesprochen worden war und der Mann keine Anstalten machte, dem nachzukommen, nahmen ihn die Polizisten fest. Hierbei griff ein Unbekannter in das Geschehen ein und versuchte, den Festgenommenen zu befreien, was die Beamten mittels einfacher körperlicher Gewalt verhinderten. Der Unbekannte entfernte sich anschließend vom Tatort. Der 37-Jährige erlitt bei seiner Festnahme Verletzungen im Gesicht und kam zur Behandlung in ein Krankenhaus.

Die Vorgehensweise der an der Festnahme beteiligten Beamten einer Einsatzhundertschaft, die auch in einer im Internet verbreiteten Videosequenz erkennbar ist, hat die Polizei veranlasst, ein Strafverfahren wegen Körperverletzung im Amt einzuleiten. Das Ermittlungsverfahren wird durch das zuständige Fachdezernat beim Landeskriminalamt mit Vorrang geführt."

Quelle: http://www.berlin.de/polizei/presse-fahndung/archiv/138631/index.html

Noch ein interessanter Beitrag aus einem Forum, ghandy von gulli meint::

Zugegeben. Beim Betrachten des Filmes wurde auch mir angst und bange und ich empfand jede Menge Wut. Leider fängt der Film nicht zu einem früheren Zeitpunkt an. Es wäre interessant gewesen zu sehen, was im Vorfeld passiert ist und wie sich die Beteiligten in den Minuten zuvor im Detail verhalten haben.

Andererseits muss man für die Beamten an dieser Stelle auch mal eine Lanze brechen. Denn psychologisch betrachtet ist das Verhalten der Polizisten durchaus erklärbar, wenn auch in dieser Form nicht zu entschuldigen. Eine absolute Minderheit von Ordnungshütern sieht sich einer zahlenmäßigen Überlegenheit an Demonstranten gegenüber. Niemand weiß, was als Nächstes passiert und ob die Lage nicht doch eskalieren könnte. Die Situation an sich ist für jeden beteiligten Polizisten mit einem ganz enormen psychischen Druck verbunden. Und Druck erfahren diese auch von oben. Bei Fehltritten drohen ihnen strafrechtliche Konsequenzen, als auch direkte negative Auswirkungen in Bezug auf ihre Karriere. Offenbar hat der überaus friedlich wirkende Demonstrant die gesammelte Anspannung dieses Tages in sehr komprimierter Form "zu spüren" bekommen. Defensiver als sich umzudrehen und weggehen zu wollen, kann man sich nicht verhalten. Einen nachvollziehbaren Anlass für diese Gewalteskalation konnte ich in dem Video nicht entdecken. Wohl aber darf man annehmen, dass die Polizisten nicht ausreichend aufgefangen werden, wenn es um derartige Extremsituationen geht. Versteht mich bitte nicht falsch: Ich mag hier keine wild prügelnden Staatshüter verteidigen. Wohl aber erklären, wie es zu diesem Eklat kommen konnte. Die Schuld ist also auch bei ihren Vorgesetzten zu suchen, die nur solche Menschen aussuchen sollten, die einer solchen Extremsituation gewachsen sind. Dazu kommt, dass Menschen in solchen Positionen in vielen Fällen nicht ausreichend psychologisch betreut werden. Wer seiner Wut und Verzweiflung nicht an der rechten Stelle Ausdruck verleihen kann und darf, der wird früher oder später dazu neigen, diese an der falschen Stelle auszuleben. Denn raus muss der Druck, zweifelsohne. Und genau das ist gestern passiert.

Es dürfte es in Deutschland nicht wenige Menschen geben, die wie ich eine Teilnahme an Demonstrationen scheuen, eben weil sie Angst davor haben, ohne Mitschuld in eine solche gewalttätige Situation zu geraten. Das Recht sich öffentlich zu versammeln und seine Meinung kundzutun; dies sind für mich ohne Frage zwei der existenziellsten Grundrechte einer Demokratie. Wenn das nicht geht oder man sich das nicht trauen kann - in was für einem Land leben wir dann bitteschön?

Der Reflex der meisten Beamten wird gewesen sein: nur schnell weg hier! Nach Hause zur eigenen Familie und Abstand gewinnen von diesem Ort. Das aber war den Beamten nicht erlaubt. Sie mussten bleiben und den Druck versuchen so gut wie möglich auszuhalten.

Der Ruf der Teilnehmer der Demo "Wir sind friedlich, was seid ihr?" indes trifft den Nagel auf den Kopf. Dürften die Polizisten zurückrufen, so hätten sie wahrscheinlich geschrien:

"Verdammt Leute, wir sind einfach total überfordert mit der ganzen Scheiße!"


Links zu den Videos:

http://www.youtube.com/watch?v=LXNJlBYU2O0&feature=related

http://www.youtube.com/watch?v=QAOFsuf7YF0

http://vimeo.com/6548644


Natürlich ist es für die Polizei eine Stress Situation. Trotzdem muß Kritik an solchem Vorgehen erlaubt sein. Im Volksmund ist die allgemeine Meinung eher, das die "links Autonomen" es schon verdient haben. Dies ist aber schlichtweg falsch. Auch normale Menschen gehen demonstrieren. Nicht jeder demonstrant ist ein Randerlierer. Man muß auch weiterhin Demonstrationen besuchen können, ohne angst haben zu müssen. Schwarze Schafe gibt es auf beiden Seiten, keine Frage. Auf der Seite der Demonstranten sind dies allerdings nur "Kriminelle", auf Seiten der Polizei wird die Gewalt aber erstmal von einer Staatsmacht ausgeübt, darin besteht ein großer unterschied. Die Dunkelziffer solcher Übergriffe ist mit Sicherheit erheblicher höher, als die die in die Öffentlichkeit gelangen.